Eine Verortung von 3 BURN-IN Künstlerinnen in Zeiten der co | evolution.
Wenn der Wind des Wandels weht,
bauen die einen Schutzmauern, die anderen Windmühlen.Chinesische Weisheit
BURN-IN widmet sich seit 2019 dem Thema der co | evolution, einem evolutionären Prozess, der die wechselseitige Anpassung zweier stark interagierender Partner zur Sicherung und Vervollkommnung der Existenz und Fortpflanzung beschreibt. Die aktuelle Corona-Krise zeigt uns deutlichst, welch enorme Bedeutung nachhaltiges Agieren für uns alle hat. Im privaten und auch im öffentlichen Kontext, mikro- und makroökonomisch. Sozial, ökologisch und ökonomisch, dem Dreisäulen-Modell der Nachhaltigkeit folgend.
Obwohl wir das Thema bereits 2019 konzipierten und etliche Brennpunkte in die Ausschreibung verpackten, zeigt uns das aktuelle Szenario, dass die Realität doch eine ganz andere, eine viel unvorstellbarere ist. Selbst wirklich polarisierende Trendforscher erkannten den mittlerweile wochenlangen, weltweiten Shutdown mit 8,5 Mio Infizierten und bald 0,5 Millionen Toten (Stand Mitte Juni 2020) nicht. Wie auch!
In der Ausstellung Stop.Think.Move. präsentiert BURN-IN die drei Kunstschaffenden Isabelle Habegger (CH), Eva Pisa (AT) und Petra Traxler-Pilgram (AT), die uns ihre ganz persönlichen Positionen sichtbar machen und zum kritischen Nachdenken anregen.
Petra Traxler-Pilgram zeigt mit ihren bewegten Figuren (Bezug nehmend auf den Wiener Kinetismus), dass Stillstand nicht nur furchterregend und beängstigend sein muss, sondern auch einen Anstoß zum Nachdenken und Innehalten liefern und vielfach enormes kreatives Potenzial freisetzen kann. Die Künstlerin nutzt dabei bewusst Klischees, Stereotypen und Vorurteile, um mit dem Betrachter auch auf einer Metaebene zu kommunizieren. Die multiplen Bildtitel akzentuieren die Bildinhalte, lenken die Assoziationen in unterschiedliche Richtungen, betonen die Mehrdimensionalität des Themas und verdeutlichen die Vielschichtigkeit der meist in Schwarz-Weiß gehaltenen Bildgeschichten. Drei Mehrfachtitel - quasi zum Aufwärmen, die es in sich haben: Elefantöse Zeiten, oder denk (nicht) an den rosa Elefanten | Melancholie oder Weltschmerz oder wer ist da von allen Geistern verlassen | Influencer oder Influenza? Gefährlicher Virus oder großer Käse.
Eva Pisa jongliert mit ihren bereits in mehreren Ausstellungen präsentierten Bindungen.Wurzeln. Sie versinnbildlichen das Reizvolle, aber auch Schmerzhafte der Fesseln der Liebe in verwurzelten, gewachsenen Beziehungen. Einerseits als einengendes Korsett, andererseits als Impulsgeber, positiver Stabilisator und nachhaltiger Energiespender.
Mit den präsentierten Arbeiten pendelt sie diesmal zwischen Isolation und innerfamiliärer Symbiose. Dabei stehen familiäre Verbände für Symbiose, Verbindung, gegenseitige Hilfe, gemeinsame starke Wurzeln. Dieser Zusammenhalt kann besonders in Krisensituationen lebensrettend sein. Zu enge Beziehungen können aber auch ersticken, die Entwicklung hemmen. Das ausgewogene Verhältnis zwischen Mensch und Natur, das vor allem in Zeiten der Globalisierung zunehmend aus dem Gleichgewicht gekommen ist, erfordert in Zukunft größte Aufmerksamkeit. Die Arbeiten Hand in Hand, verwurzelt, Verbindungen, Spaltung und Isolation/Heimarbeit thematisieren tiefgründig die beiden Pole der Isolation und Symbiose. Mit dem Werk verschobene Wahrnehmung zeigt Pisa, das anfänglich unerträglich in der Krise Wahrgenommenes neue Perspektiven eröffnet, Neues entstehen lässt und das Leben wieder an Fahrt aufnimmt.
Isabelle Habegger greift die Bewegung in ganz anderen Form und in ganz anderem Zusammenhang auf. Mit den Arbeiten Vom Flow der Persephone und der Installation Klang der Natur, die 2020 für einen Wettbewerb der Schweizer Botschaft in Wien eingereicht wurden, setzt sich die Schweizerin mit der Natur und deren Sinnlichkeit auseinander. Auch Habegger pendelt häufig zwischen den Polen. In der BURN-IN Soloausstellung 2016 setzte sie sich mit dem Bewussten und Unbewussten auseinander und präsentierte Bewegliches (monumentale kinetische Skulpturen) und Statisches. Diesmal nimmt sie Bezug auf den klassischen Mythos vom Raub der Persephone, in der sich Zeus in die Toten-, Unterwelt- und Fruchtbarkeitsgöttin verliebt. Demeter, seine eifersüchtige Schwester, boykottiert die Beziehung und stoppt in ihrer vollen Verzweiflung das Wachstum aller Pflanzen. Die vier Jahreszeiten waren geboren. Eine inspirierende Metamorphose, die mit der fast 200-teiligen Installation in einen spannungsgeladenen Dialog tritt und eine wunderbare Aura schafft, die das Publikum gefangen nimmt und bewegt.